Gebrüder Grimm Originalton

„Wie kann mir wohl so ein albernes Thier einen vernünftigen Rath ertheilen?…“

27 Märchen im Orignalton der Gebrüder Grimm sind als bibliophile gebundene Ausgabe mit Textilrücken gerade bei Diogenes wieder erschienen. Jedes Märchen ist mit einer Zeichnung von Maurice Sendak illustriert, den viele von Max und seinen wilden Kerlen kennen.

Wer die Märchen von Fitchers Vogel, Allerleih-Rauh oder Hänsel und Grethel in der Originalsprache der Gebrüder Grimm lesen möchte, wird diese Lektüre genießen. Es ist ein Nachdruck der 1974 im „Club der Bibliomanen“ erschienenen zweibändigen Ausgabe.
Der Text folgt wort- und buchstabengetreu der letzten von Wilhelm Grimm autorisierten Ausgabe von 1857.

Hier kann man Rapunzel, den Bruder Lustig, den Bärenhäuter oder auch den goldenen Vogel aus den alten Volksmärchen neu entdecken und verfolgen, wie die weisen Ratschläge manch „albernen Thiers“ den Märchenhelden ein ums andere Mal das Leben retten. So zum Beispiel dem unbelehrbaren Jüngling, der die Ratschläge des Fuchses, sich nicht von Äußerlichkeiten blenden zu lassen, jedes Mal in den Wind schlägt.

‚Ich wäre wohl ein Narr,‘ dachte er, ‚wenn ich in das lumpige Wirthshaus gienge und das schöne liegen ließ.‘

Ein Ungemach nach dem anderen widerfährt ihm, bis er schließlich – immer wieder vom langmütigen Fuchs mit neuen kompetenten Ratschlägen unterstützt – den goldenen Vogel doch heimbringt.

Märchen der Brüder Grimm – Ausgewählt von Lore Segal und Maurice Sendak, illustriert von Maurice Sendak, 149 Seiten
Diogenes Hardcover, 16.90 €

Weltraummissionen Astrophysik im Jugendbuch

Die frühe einsetzende Dunkelheit im Winter eignet sich gut, um mit Kindern erste Himmelskunde zu betreiben.

Die beiden „Was ist was“- Bände über den Mond und die Sterne sind in neuem Outfit und um einige Weltraummissionen des 21. Jahrhunderts ergänzt erschienen.

„Der Mond – Rätselhaft und mächtig“ erzählt die Entstehungsgeschichte „Wie die Erde zu ihrem Mond kam“ und erklärt auch die Monde der anderen Planeten, „Die Geschwister des Mondes“.

Dass die Kraft des Erdtrabanten die Gezeiten der Ozeane bewirkt, ist für die meisten Kinder bereits „Babywissen“, aber dass der Mond sogar die Erdkruste um 32 Zentimeter anhebt mit seiner Anziehungskraft, das ist uns allen neu.

Löwen hungern bei Vollmond, weil dann die Beutetiere im Vorteil sind, und auch auf andere Tiere wirken sich die Mondphasen aus.

Mehr als zehn Kapitel widmen sich dem Apollo- und anderen Raumfahrtprogrammen mitsamt den spannenden Marsrovern und Roboterfahrzeugen. Abschließend werden die neuesten Mondmissionen vorgestellt, an denen unter anderem die Europäische Raumfahrtbehörde ESA beteiligt ist.

Frühe archäologische Zeugnisse wie Stonehenge oder die Himmelsscheibe von Nebra weisen auf die lange Geschichte der Himmelserforschung hin.

***

Naturwissenschaftlich richtig anspruchsvoll ist dann der Band „Sterne – Wunder des Weltalls“. Da geht es in einigen Kapiteln mit Protonen, Neutronen, Elektronen, Gammastrahlen und Radiowellen manchmal mit Lichtgeschwindigkeit in die Astrophysik hinein, sodass die Altersangabe ab 8 Jahren wohl nur gilt, wenn das Kind auch einen mitlesenden Erwachsenen zu Seite hat. Dieses Buch kann man gut zu Weihnachten verschenken, wenn man als Erwachsener selbst noch etwas dazu lernen möchte.

„Der Mond – Rätselhaft und mächtig“
„Sterne – Wunder des Weltalls“
Beide Bände aus der Reihe „Was ist was“ im Tessloff Verlag, 9,95 €, 2014 neu erschienen

****

Indianer – Die Ureinwohner Nordamerikas

Anhand von Winnetou-Romantik und einem Foto von Kevin Costners Ritt über die Prärie wird gleich im zweiten Kapitel erklärt, was Stereotype sind, und dass das Bild, das wir auch aus neueren Filmen von Indianern haben, mit sehr viel Vorsicht zu genießen ist.
Mit Ben Nighthorse Campbell wird ein Politiker indianischer Abstammung vorgestellt.
Pueblo, Tipi und Wigwam werden erklärt, eine Karte Nordamerikas verortet die verschiedenen Indianerkulturen. Die erste indianische Schrift war eine Silbenschrift; aufgrund der vielen Sprachen verständigten sich die Stämme untereinander auch mit Handzeichen. Auch indianisches Kunsthandwerk und Schmuck – besonders der Navajo-Indianer – sind auf vielen farbigen Fotos zu sehen. Gefärbte Stachelschweinborsten verzieren Mokassins und andere lederne Kleidungsstücke.
Es folgen Kapitel über das Eintreffen der Weißen auf dem amerikanischen Kontinent, den Bau der Eisenbahn und den Goldrausch, das Massaker von Wounded Knee und die Geschichte der Reservate.
Dieser aktualisierte Band über nordamerikanische Indianer bietet eine informative Mischung aus Geschichte, Kultur und Gegenwart für Kinder ab 8 Jahren, – bei sehr indianerbegeisterten Kids sind viele Kapitel aber auch schon früher geeignet.

Indianer – Die Ureinwohner Nordamerikas, Was ist was, Tessloff Verlag 2014, 9.95 €

„Faust“ als Graphic Novel und Tolkien-Parodie „Der Wobbit“

Heinrich Fausts misslungener Disco-Besuch im „Dante“

Der Götterhimmel als rezente Bürogemeinschaft, in der jeder per Skype und Internet Kontakt zu seinen Gläubigen hält: Für die Wette zwischen Gott und Mephisto wird per Zufallsgenerator ein Heinrich Faust ausgewählt, der in Berlin wohnt. Mephisto stellt sich ihm als Coach von der Agentur „Happy Life“ vor.

Der Frühlingsspaziergang findet in der Karwoche statt, sodass zwischendurch Papst Benedikt anruft und um eine Beratung für seine Präsentation am nächsten Sonntag bittet. Die Hexenküche ist hier die Boutique „WitchKitchen Fashion“, in der Heinrich Faust von seinem „Bauer-sucht-Frau“-Outfit befreit und neu eingekleidet wird.

Auch des Pudels Kern entpuppt sich im 21. Jahrhundert als ein kleiner Computer, der in einem Plüschhund versteckt ist und von Mephistos Gehilfen bedient wird.

Mephisto selbst hackt sich in der himmlischen Bürogemeinschaft auch in fremde Accounts ein und rät so dem Gretchen aus muslimischer Familie, nun endlich mit ihrer Freundin Marthe Schwerdtlein in die Discothek „Dante“ zum Feiern und Tanzen zu gehen, wo Faust auf sie wartet. Die Begegnung dort ist dann allerdings für beide nicht so attraktiv wie ihr erstes Gespräch über Mülltrennung in einem Berliner Straßencafé…
Als Taschenbuchausgabe sieht Flix‘ Faust auf den ersten Blick einem echten Reclam-Heftchen zum Verwechseln ähnlich. Ein paar Flecken auf dem knallgelben Cover erwecken den Eindruck, als handele es sich um ein intensiv genutztes Exemplar aus einer Studentenbude.

Im Paperback-Format (14,5 cm x 21,00 cm) ist an manchen Textstellen das Handlettering allerdings schwer zu lesen. Die Hardcover-Ausgabe ist da etwas augenfreundlicher (17,5 x 24,60 cm)

Flix; „Faust – Der Tragödie erster Teil“, Graphic Novel, Carlsen Verlag
Paperback 7,99 €
Hardcover 14.90 €

*****

Der Wobbit – Eine Hobbit-Parodie als Hörbuch

Finanzkrise und Not leidende Banken, ein Goldschatz, an den die kleinen Leute wie Zwerge und Wobbits nicht heran kommen, und ein Drache, der auf seinen Millionen sitzt und Feuer speit, sobald sich jemand in seine Höhle wagt, – so ungefähr gestalten sich Kulisse und Hauptakteure in der Tolkien-Parodie “Der Wobbit”, die den Roman vom kleinen Hobbit auf die Schippe nimmt. Ein besonderes Vergnügen sind dabei die Stimmen der Zwerge.
Das Hörbuch wird gelesen von Oliver Rohrbeck umfasst 4 CDs und dauert 282 Minuten, in denen es einiges zu lachen gibt.
Erschienen 2012 bei OSTERWOLD audio

Den gleichnamigen Roman von Paul Erickson gibt es bei Piper als Taschenbuch, allerdings heißt der Wobbit dort Bulbo Bunkin, während er im Hörbuch Milbo Muffin heißt.
Bilbo Beutlin wird das nicht weiter stören, aber weniger verwirrend für heutige Leser und Hörer wäre es gewesen, man hätte sich bei der Übersetzung auf einen Namen für den Protagonisten geeinigt.

Häuptling Schwere Zunge liest die Weihnachtsgeschichte

Eine Kindheit in der deutschen Nachkriegsgesellschaft erzählt Volker Reiche in seiner Graphic Novel „Kiesgrubennnacht“: 4 Brüder und eine kleine Schwester Christel, die begeistert alle aufgeschnappten Wörter nachplappert, ob es sich nun um „Zwergenbuch“, „Kohlen“ oder „Dürer“ handelt.

Eine Kindheit, in der alle sich über Zwieback und Marmeladenbrot bei der Geburtstagsfeier freuen, wenn es mit dem Geburtstagskuchen mal wieder nicht geklappt hat. Eine Kindheit, bei der alle fünf mit ansehen müssen, wie die Mutter vom Vater geschlagen wird. Im Chor „Wäääh“ zu brüllen, ist lange Zeit das einzige, was die Kinder aus Solidarität mit ihrer Mutter machen können. Als es zur Scheidung kommt, ist das für alle eine Erlösung.

Allerdings hält die Mutter sich nun oft mit Eierlikör, Chantré und Rotwein in Literflaschen bei Laune, was die Kinder lange Zeit nicht durchschauen. Erst als sie Weihnachten 1957 ihren Kindern die Weihnachtsgeschichte aus der Bibel auffallend undeutlich vorlallt, bemerkt der inzwischen dreizehnjährige Sohn: „Häuptling Schwere Zunge liest die Weihnachtsgeschichte“.

Als Kind fehlen einem überhaupt die richtigen Fragen, und so beschließt der erwachsene Sohn 1973, seinen Vater noch einmal aufzusuchen und nach seinen Erlebnissen als Kriegsberichterstatter an der Ostfront zu fragen, die er in Andeutungen und obskuren Witzen in seiner Kindheit mitbekommen hat. Dieses Unterfangen ist schwierig, zäh und letztendlich nicht besonders erfolgreich. Bei einer Kiesgrube sei es wohl gewesen, aber viel könne er nicht sagen, weil er ja erst später dazu gestoßen sei. Und an seine früher oft vor den Kindern wiederholte Erzählung, dass man ihm eine Pistole hingehalten habe mit den Worten „auch mal?“, will sich der Vater nun nicht mehr so wirklich erinnern…

„Kiesgrubennnacht“ wurde mit dem Preis „Bester deutscher Comic 2013“ ausgezeichnet.

Kiesgrubennnacht, Volker Reiche, Suhrkamp, Graphic Novel, 21,99 €

***

Für Graphic Novel-Leser, die gerne in Mythen und Märchen schwelgen, ist „Die Enzyklopädie der Frühen Erde“ ein passendes Weihnachtsgeschenk. Die Geschichte greift unter anderem Topoi aus Indianermärchen und biblischen Geschichten auf und mischt eine sehr eigene Entstehungsgeschichte der Frühen Erde daraus. Auch viele der Illustrationen erinnern an indianische Kunst.

Die Enzyklopädie der Frühen Erde, Graphic Novel von Isabel Greenberg, gebundene Ausgabe, Insel Verlag, 28 €
Als Suhrkamp-Taschenbuch 16,99 €

Das Thema Depressionen einmal als Graphic Novel zum tiefsinnigen Schmunzeln auf den Punkt gebracht hat Ellen Forney, die weiß, wovon sie schreibt und zeichnet. Schon der Auszug hinten auf dem Buchcover zeigt ein typische Szene, aus dem bipolaren Leben gegriffen: Ein depressiver Mensch schält sich schwermütig aus dem Bett, bewegt sich – mit Bettdecke über den Schultern – ins angrenzende Zimmer und liegt dort am Ende seiner Bemühungen mit derselben Bettdecke auf dem Sofa.

Meine Tassen im Schrank – Depressionen, Michelangelo & ich, Graphic Novel von Ellen Forney, Egmont Verlag, 19,99 €

Ordnung, Perfektion und ein geregeltes Berufsleben kennzeichnen den Alltag von Stephen Collins Protagonisten Dave, der dort im Büro auch schon mal wie Franz Kafka mit hängendem Kopf über der Tischplatte sinniert. Was er dort in der Firma eigentlich macht, ist nicht nur ihm ein Rätsel. Eines Tages bricht ein zuerst einsames Barthaar Daves aus dieser Ordung aus und lässt sich nicht mehr bremsen…

Der gigantische Bart, der böse war, Graphic Novel von Stephen Collins, Atrium Verlag, 29,99 €